Donnerstag, 25. Juli 2013

Bibliotheken fragen, Parteien antworten ... zum Thema E-Books!

Der Deutsche Bibliotheksverband e.V. (dbv) hat am 13. Mai 2013 seine Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl am 22. September 2013 an die Spitzen der im Bundestag vertretenen Parteien und die der Piratenpartei verschickt – mit der Bitte um Stellungnahme. Der dbv hat die Parteien befragt, was sie in der Regierungsverantwortung oder als parlamentarische Opposition für die Förderung kultur- und bildungspolitischer Belange der Bibliotheken tun wollen. e-medien-franken hat die rechtliche Belange einer virtuellen Ausleihe in diesem Blog bereits des öfteren angesprochen. Ein Fragenkomplex des dbv betraf auch das Thema "Digitale Medien in Öffentlichen Bibliotheken (E-Books)", hier die Anfrage und die Antworten der Parteien:


"Die Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft empfiehlt Bund und Ländern, „öffentliche, insbesondere wissenschaftliche und schulische Bibliotheken durch ausreichende Grundfinanzierung darin zu unterstützen, stärker als bislang digitale Medien zur Nutzung bereit zu stellen. Die Enquete-Kommission empfiehlt zu diesem Zweck ebenfalls, die Verleihbarkeit digitaler Medien – entsprechend analoger Werke – sicherzustellen.“
 
Die Ausübung des Grundrechts „sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“ (Art. 5, Absatz 1 Grundgesetz) wäre ohne Bibliotheken nicht gewährleistet. Der Medienbestand der Bibliotheken ist nach professionellen (auftragsbezogenen und kundenorientierten) Kriterien unabhängig und neutral ausgewählt und bildet das Spektrum der Meinungsvielfalt in unserer Gesellschaft ab. In der digitalen Medienwelt können Öffentliche Bibliotheken ihre Medienauswahl aber nicht mehr frei nach ihren professionellen Kriterien treffen.
 
Die Erlaubnis, Werke zu verleihen, gilt nach § 17 Abs. 2 UrhG („Erschöpfungsgrundsatz“) nur für Werke auf physischen Trägern, aber nicht für nicht-körperliche Formate. Daher ist es für die Öffentlichen Bibliotheken höchst problematisch, dass der Erschöpfungsgrundsatz bisher nicht auf die digitale Welt erweitert wurde. Denn ohne „Erschöpfung“ ist grundsätzlich jede Verbreitung, also auch die Ausleihe, von der jeweiligen separaten Zustimmung des Rechteinhabers bzw. des Verlags abhängig.
 
Zudem gilt für gedruckte Bücher und Zeitschriften der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7%, für elektronische Informationsressourcen gelten dagegen 19%. Diese Ungleichbehandlung gleicht einer Steuer auf Wissen.
 
Der dbv fragt:
 
Wollen Sie klare gesetzliche Rahmenbedingungen für die Verleihbarkeit von E-Books schaffen?
  1. Planen Sie, die Bibliothekstantieme gemäß § 27 UrhG auch auf E-Books auszudehnen?
  2. Wollen Sie den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für gedruckte Bücher auf E-Books und andere elektronische Informationsressourcen ausdehnen?"

Die Antworten der Parteien zum Fragenkatalog des Deutschen Bibliotheksverbands e.V. (dbv) in der Reihenfolge ihres Erhalts:
6.1. Wollen Sie klare gesetzliche Rahmenbedingungen für die Verleihbarkeit von E-Books schaffen?
SPD: Die bisherigen Erfahrungen vieler Bibliothekarinnen und Bibliothekare mit dem Online-Verleih der Medien ihrer Einrichtungen scheinen überwiegend positiv zu sein. Zumal Bibliotheken damit ihrer Rolle als Türöffner in neue Welten gerecht werden. Vor diesem Hintergrund hat die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ in ihrem sechsten Zwischenbericht zum Bereich „Bildung und Forschung“ (BT-Drs. 17/12029) empfohlen, die Verleihbarkeit digitaler Me­dien – entsprechend analoger Werke – sicherzustellen. Die SPD wird diese Handlungs­empfeh­lung aufgreifen und sich dafür einsetzen, Rechtssicherheit für die Verleihbarkeit von E-Books zu schaffen.

DIE LINKE: Ja. DIE LINKE ist der Meinung, dass Nutzerrechte aus der analogen Welt auch im digitalen Bereich gelten sollten – sowohl für private wie auch für institutionelle Nutzer. Entspre­chend ist es nicht einzusehen, warum das Verleihen von körperlichen Werkexemplaren möglich sein soll, ohne dass dafür eine Lizenz erworben werden muss, während bei unkörperlichen Werk­exemplaren eine Genehmigung des Rechteinhabers nötig ist. DIE LINKE hat 2012 einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem sie den Second-Hand-Handel mit Dateien ermöglichen Möch­te (Nr. 17/8377). Eine entsprechende Lösung können wir uns auch für die Bibliotheks­­aus­leihe vorstellen.

Piratenpartei: DRM-Maßnahmen für Verleih-ebooks lehnen wir ab. Der Vorteil einer digitalen Verfügbarkeit von Büchern ist gerade nicht ihre Knappheit. Bibliotheken kämpfen jetzt schon mit dem Problem, dass Trendbücher zu bestimmten Zeiten von vielen NutzerInnen gleichzeitig aus­geliehen werden wollen. DRM-Maßnahmen, die für eine künstliche Verknappung sorgen, sind im Zeitalter des quasi unbegrenzten Speicherplatzes veraltet und unangemessen. Wir setzen uns für eine Vereinfachung der Verfügbarmachung von e-books in Bibliotheken in ausreichenden Stückzahlen ein.

Bündnis 90/Die Grünen: Im Rahmen der Enquete-Kommission „Internet und Digitale Gesellschaft“ hat sich unsere Bundestagsfraktion dafür eingesetzt, dass die analoge Verleihbarkeit von E-Books und anderen Werken als Handlungsempfehlung aufgenommen wurde. Es ist unser Ziel, dass die Verleihbarkeit von E-Books sich an derjenigen von materiellen Werken orientiert.

FDP: Die Möglichkeit der Verleihbarkeit bringt genauso wie der Weiterverkauf von E-Books Schwierigkeiten für den Rechtsanwender mit sich. Seit der sog. UsedSoft-Entscheidung des EuGH, in welcher die Erschöpfung des Verbreitungsrechts für online übermittelte Softwarekopien bejaht wurde, ist umstritten, inwieweit diese Rechtsprechung auf andere nichtkörperliche Werkarten, wie z. B. E-Books, Musikdateien und Hörbücher übertragbar ist. Die Möglichkeit der Verleihbarkeit von E-Books wird von uns begrüßt. Die Schwierigkeit hierbei stellt jedoch auch die Abgrenzung zur simplen Kopie dar. Technische Vorrichtungen müssten daher geschaffen werden, die ein tatsächliches „Verleihen“ möglich machen. Die konkrete Ausgestaltung sollte deshalb den einzelnen Anbietern und somit dem freien Markt überlassen werden. Dennoch müssten für mögliche gesetzliche Rahmenbedingungen, zunächst auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene Regelungen geschaffen werden.

CDU/CSU: Durch die Digitalisierung ist das Spannungsfeld um das Urheberrecht sicht- und spürbarer geworden. Aber auch im digitalen Zeitalter gilt der Anspruch des Urhebers auf Schutz seines geistigen Eigentums und das Recht auf eine angemessene Vergütung seiner Leistung. Es sichert nicht nur das Einkommen der Urheber, es ermöglicht auch künstlerische Vielfalt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Rechtsprechung zu gebrauchter Software entschieden, dass der Erschöpfungsgrundsatz nur in ganz bestimmten Fällen und auch nur für Software eingeschränkt werden kann. Das Urteil stellt heraus, dass bei einem Verkauf gebrauchter Software sichergestellt sein muss, dass diese nicht vervielfältigt wird und nur die Lizenz verkauft wird. Ein Verleihvorgang ist jedoch ohne Vervielfältigungshandlung technisch nicht möglich, sodass eine Ausweitung des Erschöpfungsgrundsatzes auf elektronische Bücher europarechtlich nicht zulässig ist. Hier müssen Bibliotheken und Verlage also auf dem Verhandlungsweg neue Nutzungsmöglichkeiten entwickeln, damit die Nutzer zukünftig auch online ein Buch bestellen können. Wir erwarten von den Ländern, dass die Bibliotheken dafür ausreichende Mittel bereitgestellt bekommen. Die Bibliothekstantieme fällt für das Vermieten und Verleihen von Originalen oder Vervielfältigungsstücken eines Werkes an, deren Weiterverbreitung nach § 17 Abs. 2 UrhG zulässig ist. Solange jedoch das Verleihen von elektronischen Büchern nicht vom Erschöpfungsgrundsatz erfasst ist, muss die Bibliothekstantieme auch nicht auf elektronische Bücher ausgedehnt werden. Der verminderte Mehrwertsteuersatz für Bücher hat sich ebenso bewährt wie die Buch-preisbindung. CDU und CSU werden den verminderten Mehrwertsteuersatz für Bücher beibehalten. Dieser soll in Zukunft auch für elektronische und Hörbücher gelten.


6.2. Planen Sie, die Bibliothekstantieme gemäß § 27 UrhG auch auf E-Books auszu­dehnen?
SPD: Grundsätzlich tritt die SPD für eine angemessene Vergütung von Urhebern für die von ihnen erbrachten kreativen und künstlerischen Leistungen ein. Dementsprechend wäre, sofern das Verleihen auch von E-Books zweifelsfrei geregelt und möglich ist, dem Urheber eine angemessene Vergütung zu zahlen.

DIE LINKE: Wir halten eine Vergütungspflicht für die digitale Ausleihe im Rahmen des urheberrechtlichen Interessenausgleichs für angemessen und würden sie im Rahmen einer gesetzlichen Regelung vorsehen wollen, wie auch immer diese Regelung im Detail gestaltet wäre.

Piratenpartei: Wie in anderen Punkten auch, sehen wir "normale" Bücher gleichwertig zu E-Books. Daher müssen auch bei der Bibliothekstantieme die gleichen Maßstäbe angelegt werden.

Bündnis 90/Die Grünen: Für das Verleihen von Originalen oder Vervielfältigungsstücken eines Werkes, deren Weiterverbreitung nach § 17 Abs. 2 UrhG zulässig ist, ist dem Urheber eine angemessene Vergütung zu zahlen. Dies gilt, wenn die Originale oder Vervielfältigungsstücke durch eine der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung wie eine Bibliothek verliehen werden. Dies sollte auch für den Verleih von E-Books gelten.

FDP: Bisher sind noch keine Änderungen in dieser Hinsicht geplant. Auch für diesen Bereich gilt, bevor es zu Änderungen im nationalen Recht kommt, sollten vorerst gemeinschaftsrechtliche Regelungen abgewartet werden.

CDU/CSU: Siehe die Antwort auf Frage 6.1.


6.3. Wollen Sie den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für gedruckte Bücher auf E-Books und andere elektronische Informationsressourcen ausdehnen?
SPD: Ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz für E-Books und andere elektronische Informations­medien entspricht dem von der SPD vertretenen Grundanliegen, eine kulturelle und mediale Grundversorgung auch bezogen auf neue Medienformen zu ermöglichen. Darüber hinaus könnte eine solche Form der Kulturförderung auch den Aufbau digitaler Geschäftsmodelle befördern, zumal damit eine Anpassung an die technologischen Veränderungen verbunden wäre, die sich durch die Digitalisierung ergeben. Bislang stehen der Erweiterung des ermäßigten Mehrwert­steuersatzes auf E-Books und andere elektronische Informationsmedien EU-rechtliche Rege­lun­gen (EU-Mehr-wertsteuerrichtlinie 2006/112/EG) entgegen, wobei Ausnahmemöglichkeiten be­stehen. Spanien und Frankreich nutzen diese bereits. In diesem Kontext werden wir prüfen, ob der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für gedruckte Bücher auch auf E-Books und andere elektro­nische Informationsressourcen ausgedehnt werden kann.

DIE LINKE: Wir treten auf nationaler und europäischer Ebene dafür ein, dass der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7% für Kulturgüter wie z.B. das gedruckte Buch erhalten bleibt. Diese Ermäßigung sollte auch auf jene kulturellen Güter ausgedehnt werden, die mit den neuen Medien entstanden sind - wie z.B. E-Books und andere elektronische Informationsressourcen. Die derzeitige steuerliche Ungleichbehandlung von gedruckten Büchern und Zeitschriften und elektronischen Informationsressourcen ist nicht vermittelbar und behindert den Zugang für alle zu Kultur und Wissen.

Piratenpartei: Wie bereits gesagt, sehen wir elektronische und gedruckte Medien als gleich­wer­tig. Das gilt auch für den Mehrwertsteuersatz. Allerdings fordern die PIRATEN die Anhebung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes von aktuell 7% auf 19% mit dem Ziel, einen einheitlichen Regel­steuersatz zu schaffen und die so genannte Mehrwertsteuer zu vereinfachen. Dies soll in Zusam­menhang mit der Einführung eines so genannten Sockeleinkommens geschehen, das sich u.a. aus den Mehreinnahmen finanziert.

Bündnis 90/Die Grünen: Wir wollen den Katalog der Ausnahmen vom Normalsatz in Deutschland und in Europa deutlich reduzieren. Viele Mehrwertsteuerausnahmen erzielen ihre eigentliche Wirkung nicht. So kommt es keineswegs immer zu Preissenkungen. Unsere Diskussionen zu Ihrer Frage sind noch nicht abgeschlossen. Im Rahmen der Enquetekommission des Deutschen Bundestags „Internet und digitale Gesellschaft“ haben die VertreterInnen unserer Bundestagsfraktion sich für folgende Handlungsempfehlung ausgesprochen: „Es ist kein systematisches Argument zu erkennen, wonach elektronische und gedruckte Medien bei der Umsatzbesteuerung unterschiedlich behandelt werden sollten. Allerdings ist eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf elektronische Bücher und damit eine Angleichung an gedruckte Bücher nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie der Europäischen Union derzeit nicht zulässig. Die Enquete-Kommission hält daher eine Überprüfung des Gesamtkataloges der Mehrwertsteuersätze für richtig und fordert die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene für eine Harmonisierung einzusetzen – mit dem Ziel, die Umsatzbesteuerung für E-Books zu reduzieren.“

FDP: Es ist kein systematisches Argument zu erkennen, wonach elektronische und gedruckte Medien bei der Mehrwertbesteuerung unterschiedlich behandelt werden sollten. Allerdings ist eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf elektronische Bücher und damit eine Angleichung mit gedruckten Büchern nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie derzeit nicht zulässig. Eine Systematisierung auf Grundlage der MwStSystRL ist unser Ziel.

CDU/CSU: Siehe die Antwort auf Frage 6.1.

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